Zweiter Weltkrieg

Nach den Ereignissen von Dünkirchen, als sich die Engländer gerade noch nach Grossbritannien zurückziehen konnten, bereitete sich Frankreich auf die Verteidigung gegen Nazi-Deutschland vor, das zuvor u. a. Polen, Belgien und die Niederlande militärisch besiegt hatte. Jedoch überschritt die Wehrmacht bereits am 9. Juni die Seine und bereits fünf Tage später besetzte sie Frankreichs Hauptstadt Paris. Zur gleichen Zeit nahmen deutsche Truppen die Maginot-Linie und die bedeutungsvolle Festung Verdun ein. Am 21. Juni empfang Adolf Hitler die französischen Unterhändler in den Wäldern von Compiègne zur Unterzeichnung der Waffenstillstands-bedingungen. Nach dem nur sechswöchigen Blitzkrieg wurde Frankreich in zwei Zonen geteilt: der Westen sowie der Norden Frankreichs war von den Deutschen besetzt, der südliche und östliche Teil Frankreichs wurde von Henri Philippe Pétain, der von der Stadt Vichy aus den Rest Frankreichs als Marionettenstaat regierte. Charles de Gaulle war Initiator des Widerstandes und verstand sich als 'Führer des freien Frankreichs', das er vom Londoner Exil aus beeinflussen wollte. Offiziell war Strassburg und das Elsass 1940-1945 also von Deutschland besetztes französisches Gebiet, faktisch wurde es jedoch der deutschen Zivilverwaltung unterstellt, um so den Anspruch zu dokumentieren, dass es sich eigentlich um deutsches Gebiet handle (und um auf diese Weise, die beabsichtigte Annexion nach dem Kriege vorzubereiten).

Die Universität Strassburg im Zweiten Weltkrieg
Strassburg.eu möchte gerne die Rolle der Universität Strassburg, Bereich Physik, in dieser Zeit näher erläutern, um so dem Strassburg-Interessierten einen exemplarischen Einblick in diese Zeit zu geben.

Mit dem Wintersemester 1941/42 wurde im November 1941 die Reichsuniversität Strassburg im Elsass als deutsche Universität wiedereröffnet. Die französische Université de Strasbourg, die seit 1919 in den Gebäuden der vorhergehenden deutschen Reichsuniversität Strassburg bestanden hatte, war -wie auch die Stadt Strassburg selbst- im Vorfeld des Angriffs Deutschlands auf Frankreich ab Ende 1939 evakuiert worden. Der Universitätsbetrieb wurde ins südfranzösische Clermont-Ferrand verlagert. Wissenschaftler aus Deutschland, die im zweiten Kriegsjahr nach Strassburg berufen wurden -ebenso wie ein Teil der Strassburger, die deutschfreundlich eingestellt waren- sahen die Neugründung der deutschen Universität als relativ normal an. Selbst Dozenten und Gelehrte, die den Nazis negativ gegenüberstanden, hatten offenbar keine grösseren Probleme damit, aus beruflichen Gründen nach Strassburg zu gehen, denn dies war nach allgemein gängiger deutscher Meinung eine deutsche Universität. Man betrachtete eine Berufung zur Uni Strassburg als eine gute Karrierechance und hoffte, eine sog. UK-Stellung zu erhalten, und somit nicht am Krieg teilnehmen zu müssen. Die zuständigen Behörden hatten sich bewusst dazu entschieden, die Uni Strassburg mit den traditionellen Fakultäten wiederaufzubauen. Hierbei knüpfte man an die alte Tradition der Reichsuniversität Strassburg an mit ihrem hervorragendem wissenschaftlichen Ruf, welchen sie sich international bereits bald erworben hatte. Jedoch gab es auch Stimmen, die forderten '..dass diese Universität in ihrem ganzen Umfang, gerade auch mit jedem Einzelmann des Lehrkörpers, geschlossen für den Nationalsozialismus eingesetzt werden kann und sich selbst kämpferisch einsetzen sollte...' Diese Ziel war an der Strassburger Uni nicht in dem Masse zu verwirklichen, wie es von dem nationalsozialistischen Führungspersonal gewünscht wurde, da die notwendigen 'Nazi-Kaderreserven' fehlten und die Kriegsverhältnisse in Strassburg hinreichend ungeeignet waren. Der Bereich Physik an der Universität Strassburg wurde hauptsächlich in vier Instituten organisiert, wobei die Überlegungen nicht von einer zeitlich begrenzten deutschen Okkupationszeit, sondern von einem dauerhaften Zusand auch nach dem Kriege ausgingen. Einmal gab es auf der Naturwissenschaftlichen Fakultät die beiden 'traditionellen' Institute für Physik und für Theoretische Physik sowie ein Institut für Technische Physik und zum anderen im Rahmen der Medizinischen Fakultät ein sog. Medizinisches Forschungsinstitut mit erst zwei, später dann drei Abteilungen für Chemie, Biologie sowie Physik. Desweiteren sind noch zu erwähnen, das Institut für Geophysik, das Institut für Mineralogie sowie Petrographie (mit einer Abteilung für Hochtemperatur-Physik), das Institut für Physikalische Chemie und die Sternwarte. Die personelle Besetzung dieser Lehrstühle (gleichzeitig Direktorenposten der entspr. Institute) dauerte jedoch lange an, so dass erst ab dem Wintersemester 1942/43 ein relativ regulärer Lehrbetrieb im Bereich Physik erfolgen konnte, der dann bis zum Sommersemester 1944 dauerte. Es ist anzumerken, dass der ursprünglich vorgesehene Personalplan für die Universität Strassburg vom Reichserziehungs-ministerium stark gekürzt worden war, was sich ungünstig bzgl. der vorgesehenen fakultätsübergreifenden Zusammenarbeit auswirkte. Schuld daran, war hierbei nicht nur der andauernde Krieg, sondern wohl auch die Tatsache, dass man die Strassburger Universität nicht bevorzugen wollte. Im Januar 1942 beschwerte sich Rektor Schmidt u. a. über die Verzögerung bei der Besetzung der Physik mit folgendem Wortlaut:

'Der Chef der Zivilverwaltung im Elsass hatte seinerzeit mit ihm bindend verhandelt und seine Berufung nach Strassburg als absolut sicher in Aussicht gestellt. Der Herr Reichserziehungsminister hat bisher dieser Berufung noch nicht zugestimmt. Durch die Nichtbesetzung des Lehrstuhls für Experimentalphysik mit Herrn Professor Finkelnburg konnte die Berufung für Theoretische Physik ebenfalls bisher nicht durchgeführt werden.' Finkelnburg selbst schrieb hierzu in einem Brief an Heisenberg:'... Rust hat das Ordinariat für mich definitiv abgelehnt, ...'

Was konnten die Gründe hierfür gewesen sein? Finkelnburg war immerhin in der NSDAP und als Wissenschaftler anerkannt. Jedoch hatte er grossen Anteil an der Organisation dersog. 'Münchener Gespräche' gehabt, in denen es darum ging, gegenüber den Vertretern der sog. 'Deutschen Physik' die Akzeptanz der theoretischen Physik, welche von denNazis als 'jüdische Physik' diffamiert wurde, durchzusetzen. Man weiss es letztendlich nicht. Schliesslich wurde Finkelnburg doch noch im Oktober 1942 als Direktor des Physikalischen Instituts berufen, jedoch lediglich als planmässiger ausserordentlicher Professor und war dann ab November 1942 in Strassburg. Zum Thema 'Lehrstuhlbesetzung`' schrieb im März 1943 der Reichserziehungsminister weiterhin an den Universitätskurator:

'Auch muss ich Wert darauf legen, dass der Ausbau in geordneten Formen und unter meiner Kontrolle vor sich geht und dass die Finanzgebarung auch der Universität Strassburg sich in den durch die Gesetze, den Reichshaushalt und die Anordnungen der zuständigen Reichsbehörden gesteckten Grenzen hält.'

Vorlesungen über Experimental-Physik fanden damals im Hörsaal des Instituts für Physikalische Chemie statt. Das alte Physikalische Institut musste rekonstruiert werden, da es in der französischen Zeit -so die damalige deutsche Berichterstattung- ‚…etwas runtergekommen sei…’. Alleine für die Bauarbeiten am Physikalischen Institut war eine Summe von 666.000 RM eingeplant worden. Mit den Bauarbieten hatte man schon 1941 begonnen und der designierte Finkelnburg hatte hierauf offenbar seinen Einfluss geltend gemacht. Nach Auffassung mancher Uni-Lehrkräfte waren die Umbauvorhaben jedoch etwas überdimensioniert und verzögerten sich unter den Kriegsbedingungen noch mehr, so dass das Institut während des Krieges fast nicht zu benutzen war. Der Universitätskurator beklagte sich im Oktober 1943 wie folgt: '... da einige Universitätsinstitute in solchem Masse umgebaut werden, dass sie für diese Zeit unbenutzbar sind. Infolge zunehmender Verknappung von Arbeitskräften sind heute noch einige Institute nicht vollständig benutzungsfähig. Auch die Einrichtung einschliesslich Messinstrumenten, etc. müsste weitgehend neu beschafft werden.' Zwar hatte die deutsche Besatzung versucht, Einrichtungsgegenständen und Gerätschaft von Clermont-Ferrand zurückzuführen, jedoch war bei der Rücklieferung nur wenig brauchbares Material vorhanden. Weitaus schlimmer war die Situation bei den Lehrmitteln: für beide Institute waren 40.000 RM eingeplant worden, jedoch bis Sommer 1943 bereits angeblich 418.000 RM ausgegeben worden. Diese Zahlen für die Physik stellen nur ein Finanzposten unter vielen dar: insgesamt hatte die Universität Strassburg im Sommer 1943 in ihrem Budget eine Deckungslücke von knapp 10,6 Millionen RM. Dieser Umstand kann zumindest folgendermassen interpretiert werden: im Reichsfinanzministerium hatte man keine Ahnung davon, was der Neuaufbau einer Universität im Krieg kosten würde und in Strassburg selber wollte man so schnell als möglich eine hervorragende Universität aufbauen. Die Strassburger Universtätspolitik, insbesondere die Physik-Berufungen sind unter wissenschaftspolitischen Gesichtspunkten, interessant anzusehen. Etliche Physik-Neuberufungen an deutschen Universitäten der dreissiger Jahre waren recht zweifelhaft gewesen. Ein Professor von damals schrieb an das Ministerium nach Berlin:'Die Besetzung der physikalischen Lehrstühle erfolgt nicht immer nach den in alter und neuer Zeit bewährten Grundsätzen des Leistungsprinzips. Ich will auf die bekannten und offensichtlichen Fehlberufungen im einzelnen nicht eingehen ...'. War es dieser Professor, der Einfluss hatte auf die spätere Besetzung der Physik-Lehrstühle mit Hiedemann, Finkelnburg, Fleischmann und v. Weizsäcker? Diese Physiker waren keine Vertreter der sog. 'Deutschen Physik' - diese setzten sich vielmehr ein für eine Wissenschaft ohne ideologische Schranken. Bemerkenswert war, dass immerhin zwei der vier nach Strassburg berufenen Physiker (Hiedemann und v. Weizsäcker) nicht in der NSDAP waren.

Mit dem Vorrücken der US-Truppen in Frankreich und den zunehmenden Luftangriffender angloamerikanischen Luftwaffe auch auf Strassburg überlegte man sich, die einzelne Institute der Strassburger Universität zu verlagern. NS-Reichsstatthalter Wagner zögerte jedoch entsprechende Vorbereitungen jedoch hinaus und gab die damals typischen NS-Durchhalteparolen von sich. Um einer Verlegung zu erreichen ging der Physiker Fleischmann folgendermassen vor, indem er schrieb: 'Die Gefahr der Luftangriffe hat sich auch in Strassburg infolge der militärischen Ereignisse ausserordentlich gesteigert. Ich möchte, wenn irgend möglich, die wichtigstenbeweglichen Apparate sichern. Alle bisherigen Anweisungen, die mittelbar oder unmittelbar vom hiesigen Reichsverteidigungskommissar herrühren, lauten - weiterarbeiten, nichts transportieren ...Damit wir ein Wegbringen von Kisten mit Apparaten gegebenenfalls noch vor der allgemeinen Räumung durchsetzen können, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie, als Bevollmächtigter für Kernphysik, an mich ein Schreiben richten würden mit etwafolgendem Wortlaut: ›Für die Durchführung der im Forschungs-Institut der Medizinischem Fakultät der Reichsuniversität Strassburg bearbeiteten kriegswichtigen Aufgaben (Kernphysikalische Forschung) ist es dringend erforderlich, eine Sicherstellungeinmaliger kaum mehr zu beschaffender Geräte nach einem weniger luftgefährdeten Ort vorzusehen und mit der Auslagerung umgehend zu beginnen‹. Ist es Ihnen vielleicht möglich, ausser einem direkten Schreiben an mich, in dieser Hinsicht Schritte über das Ministerium Speer zu unternehmen?'