Der Racing Club aus Straßburg spielt die beste Saison der jüngeren Vereinsgeschichte. Die Elsässer rangieren aktuell auf einem europäischen Qualifikationsplatz. Die Hoffnung der Fans auf eine Saison 2022/23 in Europa wächst daher zunehmend an, zumal über die Hälfte der Saison bereits gespielt ist. Doch wie wahrscheinlich ist es überhaupt, dass sich RCSA gegen die teilweise wirtschaftlich besser aufgestellte Konkurrenz aus Paris, Marseille, Nizza, Rennes, Monaco, oder Lyon einen der begehrten ersten fünf Tabellenplätze sichern kann?
Die letzten Jahre spielte Racing Straßburg in den oberen Tabellenregionen der Ligue 1 keine Rolle. Der Französische Meister von 1979 musste sich sogar teilweise eher darum bemühen, nicht zweitklassig spielen zu müssen. Der sportliche Niedergang, der den Verein zwischen 2010 und 2016 bis in die drittklassige Championnat National spülte, hatte bei Fans und Vereinsoffiziellen nachhaltig Spuren hinterlassen. Dennoch sah das Stade de la Meinau vor nicht allzu langer Zeit Europa League Spiele, nachdem sich die Mannschaft über den Ligapokal 2019 für den Wettbewerb qualifizieren konnte.
Damals schied man nach zwei erfolgreichen Qualifikationsrunden gegen Maccabi Haifa und Lok Plovdiv in den Play-offs gegen den späteren Achtelfinalteilnehmer Eintracht Frankfurt jedoch aus, obwohl man das Hinspiel für sich entschied. Nun könnte es mit Trainer Julien Stéphan, welcher mit Stade Rennes bereits Erfahrungen auf europäischem Boden machte, ein Comeback für die Elsäßer geben.
Als Außenseiter zum Erfolg
Mit Racing wurde vor der Saison nicht gerechnet. Das Team galt wie in die letzten Jahren als die graue Maus der Liga, welche den meisten Experten zufolge erneut im Mittelfeld der Ligue 1 landen würde. Auch die Sportwetten Anbieter räumten den Elsässern wenig Chancen auf eine erfolgreiche Saison ein. Dies war auch darauf begründet, dass der Verein wenig Geld in die Hand nahm, um vermeintlich hochklassige Spieler zu verpflichten. Der Marktwert der Mannschaft des Racing Clubs befindet sich dementsprechend im unteren Mittelfeld der Liga und kann mit Mannschaften wie Paris Saint Germain, der AS Monaco oder Olympique Lyon nicht annähernd mithalten.
Dennoch gelang es Straßburg, sich in den oberen Tabellenregionen festzusetzen. Insbesondere drei Siege zu Anfang dieses Jahres trugen dazu bei, dass die Blauen plötzlich an der Tabellenspitze mit mischten. Dennoch gilt die Mannschaft nach wie vor als Außenseiter, wenn es gegen direkte Konkurrenten um Europa gilt und auch die Buchmacher sehen weiterhin andere Vereine im Vorteil.
Zwischen offensiver Torgefahr und defensive Anfälligkeit
Hauptverantwortlich für den Erfolg ist vor allem die Offensive. Mit 45 Toren aus 23 Partien hat lediglich der Dauermeister aus der Hauptstadt Paris mehr Tore pro Spiel erzielt. Diese verteilen sich zudem nicht auf einen Spieler: Mit Ludovic Ajorque, Habib Diallo, Adrien Thomasson und Kevin Gameiro hat man gleich mehrere Spieler, die Torgefahr ausstrahlen können. Das hat den Vorteil, dass die Offensive für gegnerische Mannschaften schwer ausrechenbar ist, da es nicht ausreicht, einen Torjäger aus dem Spiel zu nehmen, um den Angriff der Straßburger zu bremsen. Zudem wäre ein verletzungsbedingter Ausfall oder etwaige Coviderkrankungen in der Offensive zum Saisonende eher zu verkraften, da man adäquaten Ersatz zu haben scheint.
Anders zeichnet sich das Bild jedoch in der Defensive ab. Die Summe der Gegentore erscheint zunächst als zufriedenstellend und wäre auch für einen Platz im Mittelfeld absolut akzeptabel. Unter den Mannschaften, welche sich für internationale Wettbewerbe qualifizieren möchten, dürfte die Verteidigung der Elsäßer jedoch zu den schwächeren gehören. Alle anderen Mannschaften auf den momentanen Plätzen, welche zur Champions League, Europa League oder Conference League berechtigen, haben erheblich weniger Tore kassiert.
Der Star ist das Kollektiv
Der Racing Club gab zur aktuellen Saison wenig Geld für Transfers aus. Lediglich für Gerzino Nyamsi zur Sommerpause und Ismaël Landry Doukouré im Winter hat der Verein insgesamt etwa drei Millionen Euro bezahlt. Andererseits nahmen die Elsäßer durch den Verkauf von Mohamed Simakan nach Leipzig auch etwa 15 Millionen Euro ein. Angesichts dieser geringen Investitionen ist es umso erstaunlicher, dass das Team momentan so erfolgreich spielt.
Racing-Trainer Stéphan und seinem Betreuerstab ist es gelungen, eine Mannschaft zu entwickeln, die als Gemeinschaft erfolgreich Fußball spielt. Einen richtigen Superstar in der Mannschaft scheint es nicht zu geben und das Team harmoniert. Auch coronabedingte Ausfälle und damit verbundene Rhythmusstörungen wie zuletzt gegen den FC Nantes kann das Team mit positiven Ergebnissen gestalten.
Außenseiterchancen auf Europa
Da der Racing Club im Pokal an Montpellier scheiterte, gibt es für ihn nur noch die Möglichkeit, sich über die Liga für internationale Wettbewerbe zu qualifizieren. Die letzten Spiele fördern den Glauben daran, dass dieses Ziel erreicht werden könnte. Dennoch wäre es für die Straßburger keine verkorkste Saison, wenn sie das internationale Geschäft am Ende verpassen würden. Der Kader mag zwar relativ breit und zuverlässig aufgestellt sein, dennoch ist die Qualität des Mannschaftsgefüges nicht so hoch wie bei großen Teilen der Konkurrenz. Zudem rechnete Vor der Saison niemand damit, dass die Stadt abseits der Politik auch auf sportlicher Ebene in Europa für Aufmerksamkeit sorgen könnte, auch wenn in den vergangenen Jahren der lokale Basketballverein SIG zumindest gelegentlich die Fahnen der Region in Europa hochhielt. Für Verein und Fans würde eine weitere Europapokal-Saison jedoch Balsam auf die oft geschundene Fanseele sein.