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Wer durch die Strassburger Altstadt bummelt, der erlebt lebendige Geschichte in Stein gegossen. Die Wurzeln der Stadt reichen mindestens bis ins 6. Jahrhundert, schon lange davor bestand am selben Fleck eine keltische Siedlung. Heute stellt Strassburg das größte urbane Zentrum im Elsass dar, auch schon im Mittelalter handelte es sich um ein bedeutendes Wirtschaftszentrum. Ab dem Jahr 1262 durfte sich die Rhein-Metropole direkt gegenüber der badischen Stadt Kehl "freie Reichsstadt" nennen. Seitdem hat sich natürlich einiges getan im schönen Elsass, doch viele architektonische Zeugnisse " von damals" blieben erhalten. Es lohnt sich, nach ihnen zu schauen.
Das Strassburger Rathaus und die verfeindeten Familien
Im Mittelalter gehörte Strassburg dem Heiligen Römischen Reich an, damals wurde die Stadt von den verfeindeten Patriziergeschlechtern Müllenheim und Zorn dominiert. Das Rathaus erhielt extra für die beiden (weniger) vornehmen Familien zwei Eingänge, damit sich die Sippenmitglieder nicht begegneten. Das heutige "Hôtel de Ville" stammt allerdings aus den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts und wurde von Joseph Massol als "Hanauer Hof" errichtet. Auch dieses vergleichsweise neue Gebäude verfügt über mehr als einen Eingang, doch das ist wohl eher seiner Größe als irgendwelcher Feindschaften zu verdanken.
Trotzdem haben sich die adeligen Kampfhähne ihr eigenes historisches Zeugnis geschaffen, denn noch heute nennt sich die eine Uferseite der Ill "Quai Müllenheim" und die andere "Quai Zorn". Außerdem avancierte Strassburg unter der Herrschaft der Patriziergeschlechter zu einem wichtigen Wirtschaftszentrum und erlangte seine Unabhängigkeit.
Bau und Finanzierung des Strassburger Münsters
Im Spätmittelalter lag nicht einmal der Bau des berühmten Strassburger Münsters in der Zuständigkeit des Bischofs, sondern es waren die Verwaltungsbeamten des Stadtrats, die das Projekt lenkten und das Geld verwalteten. Zwei Mal im Jahr fand eine Rechnungslegung statt, die dazu diente, Einnahmen und Ausgaben offenzulegen. Ein Blitzkredit nach modernen Maßstäben war damals noch nicht möglich, um eventuelle Finanzierungslücken zügig aufzufüllen.
Wer heute staunend vor dem prächtigen Bauwerk steht, der ahnt zumindest annähernd, welche finanzielle und handwerkliche Aufwand hinter diesem Kunstwerk steckt. Entsprechend verantwortungsvoll war der damalige Verwaltungsposten. Der Strassburger Münster gehört übrigens noch heute zu den höchsten Kirchen der Welt. Dieses Wunderwerk gelang ganz ohne moderne Mittel wie elektrische Baugeräte, Statik-Software oder digitale Kreditsuche!
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Ausbau zur "Festungsstadt" Strassburg im 19. Jahrhundert
Bis ins 15. Jahrhundert hinein kämpften die Zünfte gegen das Patriziat um die Macht. 1482 erhielten die Handwerker zwei Drittel der Sitze im Rat, der Rest fiel den Adeligen zu. Das lässt sich als Sieg der einfachen Leute deuten, der bis zur Französischen Revolution anhielt. Claude Joseph Rouget de Lisle komponierte ausgerechnet in dieser Stadt die Marseillaise, die heutige Nationalhymne Frankreichs und lautstarke Kampfansage an die Diktatur. Im 19. Jahrhunderte explodierte die Einwohnerzahl von 50.000 auf 150.000: für damalige Verhältnisse eine horrende Zahl! Das neu gegründete Deutsche Reich verleibte sich 1871 Strassburg ein und erklärte die Metropole zur Hauptstadt von Elsass-Lothringen.
Von diesem Jahr an entwickelte sich die Stadt zu einer regelrechten Festung. Die modernen Wälle gliederten auch alte Befestigungsanlagen mit ein. Die Zitadelle von Vauban ist heute noch in Resten erhalten, ebenso wie die preußischen Wallanlagen im Bahnhofsbereich. Die eisernen Grabenwehren gelten als besonders ungewöhnlich, es lohnt sich, sie einmal in Augenschein zu nehmen.
Strassburger Bahnhof: ein stilvolles Stück Zeitgeschichte
Der heutige Bahnhof hatte einen prominenten Vorgänger: Dieser stammte aus dem Jahr 1854 und wurde 1971 restlos abgerissen. Auf dem Gelände befindet sich inzwischen ein Einkaufszentrum. Erhalten geblieben ist das Bahnhofsgebäude aus dem Jahr 1905, das während des Deutschen Kaiserreichs auf dem Areal der Vauban-Befestigungen entstand. Der Bau begann bereits im Jahr 1878, die Einweihung erfolgte 1883, doch zu diesem Zeitpunkt war das komplizierte Prachtstück noch längst nicht fertig. Ganz zu Anfang diente dieser Bahnhof noch als Rangier- und Güterbahnhof, heute strömen Touristen aus aller Welt über die Gleise in die Stadt.
Der Rheinpalast als ehemaliger Sitz des deutschen Kaisers
Zum Abschluss möchten wir noch den Palas du Rhin erwähnen, zu Deutsch: den Rheinpalast. Er gehört zu den auffälligsten Gebäuden der Stadt und diente einst dem deutschen Kaiser als Residenz. Das Bauwerk kostet den gewaltigen Preis von 3 Millionen Goldmark, es ist im imposanten Stil der Neorenaissance gehalten. Die Fertigstellung erfolgte 1889, Kaiser Wilhelm II. weihte das Gebäude persönlich ein. Bis 1914 besuchte er mindestens einmal pro Jahr seinen prunkvollen Strassburger Sitz. Er nannte den Palast abschätzig "Elefantenstall", was zeigt, wie wenig der Mann die Architektur zu schätzen wusste. Als Fotokulisse taugt die monumentale Fassade allerdings noch heute, selbst wenn Kaiser Wilhelm nicht ganz damit zufrieden war.