Deutsch-Französischer Krieg 1870/71

Zeitgenössische Berichte geben einen interessanten Einblick in die Lage von Strassburg im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871. Einige hiervon fassen wir hier zusammen.

Im badischen Karlsruhe machte beispielsweise folgende Nachricht die Runde:
'Die Kavallerie-Brigade der deutschen Division ging mit Artillerie sowie mit Bataillonen Infanterie am Abend des 8. bis unter die Tore von Strassburg vor. Die Garnison dieser grossen Stadt-Festung, die nur aus einem Regiment und einer nichtuniformierten Nationalgarde bestehen soll, liess unsere Soldaten unbehelligt bis zur Zitatelle sowie bis an das Glacis herankommen und machte ebenso wenig Anstalten, die Zerstörung der Eisenbahn nach Lyon zu verhindern. Strassburg scheint also nach allen Seiten isoliert zu sein.'

Nochmals aus Karlsruhe wurde zur Lage der Stadt in etwa berichtet:
'Strassburg wird im Moment von allen Seiten von deutschen Soldaten eingeschlossen. Die Zugverbindungen nach Hagenau, Paris und Lyon sind von den Deutschen blockiert. In Strassburg soll sich ausschliesslich nur ein Infanterieregiment und Nationalgarden befinden, die Verpflegung derer soll mangelhaft sein. Eine Forderung des badischen Generals Beyer zur Übergabe und Kapitulation, wurde vom Commandanten Strassburgs ausgeschlagen.'

Aus dem badischen Hauptquartier in Mundolsheim hiess es:
'Strassburg ist nun so gut wie vollständig isoliert - Preussen und Badener sowie einige Bayern halten die Festung in grossem Bogen von hier aus bis auf die Südseite eingeschlossen. Die Beschiessung hat noch nicht angefangen, jedoch sind sind die Truppen darauf vorbereitet.Die Soldaten sind zumeist in den umliegenden Ortschaften einquartiert - Ortschaften, die von Einquartierung verschont geblieben sind, haben täglich bestimmte Mengen an Lebensmitteln abzuführen. Ausser einigen sind nahezu alle Bürger nach Strassburg geflohen. Zu haben ist hier wieder fast nichts, jedoch ist für die Soldaten gut gesorgt. Der Grossherzog befindet sich nun wieder bei seinen Truppen.’

Vor Strassburg, Mitte August 1870:
'Leider hat sich die Zerstörung der nach Süden führenden Eisenbahn in der Nacht von Montag auf Dienstag nicht als nachhaltig genug erwiesen und die Besetzung dieser Bahntrasse ist am Donnerstag zu spät gelungen, um das Hineinbringen von Proviant wirksam unterbinden zu können - bedeutende Transporte waren gerade noch nach Strassburg hineingelangt.' Weiter wurde von den damaligen Zeitgenossen aus Strassburg berichtet: 'Nun wird in Strassburg an Armierung der Wälle, Rasierung des Glacis, Verbarrikadierung der Zugänge ec. eifrigst gearbeitet. Diese Verteidigungsarbeiten zu stören, muss augenblicklich die Aufgabe der Belagerer sein. Am 13. August fanden einige kleine Gefechte mit glücklichem Erfolge zu diesem Zwecke statt. Bei einem derselben ist ein Zug im Bahnhofe von dem badischen Detachement in Brand gesteckt worden. Eine Feldbatterie ging bis auf ca. 3.000 Meter an Strassburg heran und feuerte auf die vom Brande erleuchteten Werke. Der Verlust auf badischer Seite beträgt 3 Tote und 17 Verwundete.’

Bericht aus Mundolsheim, 17. August, 1870:
'Die Strassburger Garnison machte gestern Nachmittag einen Ausfall gegen Ostwald zu, wurde aber zurückgeschlagen und die Franzosen verloren viele Mannschaften und drei Geschütze.'

In Strassburg war auch in etwa folgende Proklamation publiziert worden: 'An die Bewohner von Strassburg! Beunruhigende Gerüchte, panischer Schrecken sind in den letzten Tagen ohne Absicht oder absichtlich in Strassburg verbreitet worden. Einige Individuen haben versucht, den Gedanken kund zu tun, dass der Platz sich ohne Schwertstreich ergeben würde. Wir protestieren im Namen der muthigen und französischen Bevölkerung gegen diese feige und verbrecherische Ohnmacht. Die Brustwehren sind mit 400 Kanonen bewaffnet. Die Garnison besteht aus 11.000 Soldaten, ohne die Nationalgarde zu hinzuzuzählen. Wird Strassburg angegriffen, so wird es sich verteidigen, so lange nur ein Soldat eine Patrone oder einen Zwieback übrig hat. Die Guten mögen sich beruhigen - was die Übrigen betrifft, so mögen diese sich entfernen. Der Divisions-General Ulrich, Oberkommandant.'

Nachricht aus Kehl am Rhein vom 19. August 1870:
'Heute Vormittag ereigneten sich 1.005 Kanonenschüsse zwischen Kehl und Strassburg . Die Zitadelle habe Breschen. Heute Nachmittag ruhig.'

Nachricht aus Kehl am Rhein vom 20. August 1870:
'Das Bombardement von Strassburg wurde heute Morgen energisch weitergeführt. Dichte Rauchwolken, aus denen mächtige Flammensäulen emporsteigen, hüllen die Stadt ein. Auch hier in Kehl brannten gestern Abend 14 Gebäude nieder.'

Vor der Stadt Strassburg am 20. August 1870:
'Die Belagerungsarmee hat unweit den Dörfern Mittel- und Oberhausbergen die ersten Laufgräben eröffnet, dieselben rücken schnell gegen die Strassburg vor. Die männliche Bevölkerung der Umgebung von 25 bis 30 Jahren ist zum Schanzen aufgeboten, auch alle Hacken, Schaufeln etc. aus den im Bereiche unserer Waffen befindlichen Dörfern, müssen in die Ingenieurdepots abgegeben werden. Ein grosser Belagerungspark ist von Magdeburg und Erfurt hergekommen und es wird wohl bis Montag mit der ernstlichen Beschiessung begonnen werden können. Die Belagerungsarmee ist jetzt eine aus Badenern und Preussen kombinierte Truppe.'

Vor der Stadt Strassburg am 21. August 1870:
'Dem Kommandeur von Strassburg wurde der bedeutungsvolle Sieg des Königs bei Metz berichtet und ihm anheim gestellt, unsere übermächtige Belagerungsbereitschaft und die grossen Mittel in Augenschein zu nehmen, so dass er sich überzeugen soll, wie nutzlos es sei Leben und Eigentum so vieler zu opfern.'

Rapport vom Oberrhein am 23. August 1870:
'Bei Strassburg stehen jetzt Geschütze aus Rastatt, Ulm, Köln sowie Magdeburg zusammen auf Wiesen und Feldern, um in Bälde das kriegerisches Schauspiel beginnen zu lassen. Bisher waren nur einzelne Batterien in Position gebracht und zwar auch auf badischer Seite, jedoch so, dass diese die deutsche Stadt Kehl nicht gefährden, was aber die französischen Soldaten nicht davon abhielt, Kehl mit Granaten zu beschiessen. Eine Batterie aus Baden feuerte daraufhin einige Granaten auf den Münsterturm und zerstörte das Telegraphenhäuschen. In den letzten Tagen erfolgte in Strassburg eine massenhafte Ausweisung der Deutschen - auch solcher, die bereits seit vielen Jahre dort gelebt haben. Man hat nicht die Absicht, das Leben vieler Menschen aufs Spiel zu setzen, sondern man plant ein grosses Bombardement zu eröffnen solange fortzuführen, bis eine Übergabe erfolgt. Dem Drängen der Bewohner auf eine Übergabe, antwortete der Kommandeur bisher, dass er sich in diesem Fall in die Zitadelle zurückziehen müsste und dadurch die Stadt zwischen zwei Feuer käme. In Strassburg ist am 24. August eine von den Belagerern in die Stadt geworfene Bombe in ein geistliches Pensionat in der Rue de l'Àrcen-Ciel eingeschlagen und hat sieben Damen getötet und vier anderen die Beine zertrümmert.’

Aus einem Lager deutscher Soldaten:
'Von den feindseligen Dörfern rund um Strassburg werden nun Gelder eingetrieben. So muss beispielsweise das die Ortschaft Erlstein 180.000 Fr., das Dorf Molstein gar 300.000 Fr. entrichten.’

Aus einer Pressemeldung über Strassburg:
'Es sollen in den (jedenfalls mit abgebrannten) Militärmagazinen Strassburgs 200.000 Chassepot-Gewehre aufbewahrt liegen. Ein aus der Stadt ausgewiesener Mann aus Kehl, der bereits 30 Jahre in Strassburg wohnte, erzählte, dass die zweite Granate, die auf die Stadt gefeuert wurde, in ein Wohnhaus einschlug, den Vater tötete und der Mutter von sieben Kindern beide Füsse zerschmetterte. 40 weitere Häuser sind bereits eingeäschert.

Nachricht aus Baden vom 26. August 1870:
'Einem verwundeten deutschen Offizier hat man den Kopf abgeschnitten, aufgespiesst und ihn auf einer Stange in der Stadt herumgetragen. Die Sache ist unglaublich, entspricht jedoch leider den Tatsachen. Ein Teil der Strassburger Bürgerschaft entschloss sich, weisse Fahnen zu zeigen, die Bewegung ist jedoch vom Kommandeur unterdrückt worden. Zu den zuletzt vor Strassburg erreichten Erfolgen ist darüber hinaus noch hinzuzufügen, dass die Batterien schwersten Positionsgeschützes (96-pfündigen Kanonen, die über 200 Pfd. schwere Kugeln abfeuern) noch nicht in Anwendung gekommen sind und erst mit nächster Woche, falls nicht vorher eine Übergabe stattfindet, ihre unwiderstehliche Wirksamkeit beginnen sollen.'

Strassburg, den 27. August 1870:
'Das Bombardement ist gestern mit grosser Energie wieder aufgenommen. Ganzen Mittag über Brände in Strassburg. Um Mitternacht dann ganze Gegend von Bränden erhellt. Morgens um 3.00 Uhr zeigen grosse Feuergarben an mehreren Stellen den Fortschritt der Brände. Die Beschiessung wurde ohnen Unterhalt fortgesetzt. Morgens um 5.00 Uhr sind trotz eingetretener Tageshelle auf zweistündige Entfernung die Flammen zu erkennen.'

Karlsruhe, Ende August 1870:
'Der Strassburger Bischof hat einen Vermittlungsversuch unternommen. Er kam nach Schiltigheim, wo sich der Chef des badischen Generalstabes, Oberstlieutenant Lescinsky, mit ihm traf. Der Bischof fand den Beschuss der Stadt dem Kriegsrecht widersprechend - seine Ansicht wurde jedoch widerlegt. Er bat, den Abzug der Bevölkerung gestatten zu wollen. Diese Forderung wurde jedoch abgelehnt. Die Bitte des Bischofs um einen 24-stündigen Waffenstillstand wurde akzeptiert, falls innerhalb einer Stunde gemeldet wird, dass der Gouverneur generell unterhandeln wolle. Auch wurde dieser eingeladen, herauszukommen und von den Angriffsanstalten Kenntnis zu nehmen. Bei der Rückkehr wurde auf Oberstlieutenant Lencinsky, obwohl er eine Parlamentärflagge mit sich trug, ein Pelotonfeuer eröffnet, die Flagge durchlöchert - der Vermittlungsversuch war ohne Erfolg und das Bombardement dauerte an. Es kamen Geschütze schwersten Kalibers zur Verwendung.'

Die Entscheidungsschlacht des Krieges von 1870/1871 fand dann am 1. September 1870 bei Sedan statt. Gegen 7.00 Uhr frühmorgens wurde der französische General Mac Mahon schwer verwundet, so dass wenig später General Emanuel Félix de Wimpffen das Kommando übernahm. Die Schlacht von Sedan dauerte bis ungefähr vier Uhr mittags, als Napoleon III., der mittlerweile in Sedan eingetroffen war, das Oberkommando übernahm und befahl -weil er die Aussichtslosigkeit erkannte- die weisse Fahne zu hissen. Über Nacht wurden die Kapitulationsbedingungen ausgehandelt. Am 2. September 1870 kapitulierte Napoleon III. mit 83.000 Soldaten und geriet mit seiner ganzen Armee in Gefangenschaft. Als der Bericht von der Gefangennahme des Kaisers in Paris eintraf, kam es zu einer Revolution, die gesetzgebende Versammlung löste sich auf, am 4. September 1870 wurde dann die französische Republik ausgerufen.

Im September kapitulierte auch Strassburg, und somit verlor Frankreich die letzte Hoffnung, den deutschen Sieg doch noch aufhalten zu können. Die deutsche Armeee rückten auf Paris vor und schloss die Stadt ab Mitte September völlig ein. Paris wurde dann auf Drängen des Reichskanzlers Bismarck, welcher ein schnelles Ende des Krieges erreichen wollte, bevor die neutralen Staaten eventuell sich einmischen konnten, belagert und bombadiert. Am 28. Januar 1871 kapitulierte Paris schließlich. Der Friede von Frankfurt a. M., der im Mai 1871 unterzeichnet wurde, setzte dem Krieg zwischen Deutschland und Frankreich offiziell ein Ende. Frankreich trat das Elsass (ausser Belfort) und einen Teil Lothringens inkl. Metz an das Deutsche Reich ab und wurde zu Kriegsreparationen in Höhe von fünf Milliarden Goldfranc verpflichtet. Bis zur vollständigen Bezahlung des Betrages sollten deutsche Truppen in Frankreich weiter stationiert werden. Dieser Punkt wurde jedoch im September 1873 zurückgenommen, und noch im gleichen Monat zogen die letzten deutschen Truppen aus Frankreich ab.

Der Deutsch-Französische Krieg hatte die Einigung Deutschlands unter preussischer Regie gebracht und gleichzeitig das europäische Kräfteverhältnis weiter zum Vorteil des neuen Deutschen Reiches und zum Nachteil Frankreichs verändert. Zusätzlich wurde durch die Abtretung Elsass-Lothringens der deutsch-französische Gegensatz verstärkt.